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Zola Jesus (USA)

Hinter Zola Jesus steht Nika Roza Danilova, die amerikanische „Königin der Schwermut“ mit russisch-ukrainischen Wurzeln – eine Operndiva, die in die Welt der düsteren Klangteppiche eintaucht.

Bereits in ihrem Künstlernamen verbindet sich, was auch ihren Pop Noir ausmacht: der klare Realismus des französischen Schriftstellers Émile Zola einerseits, die emotive Spiritualität Jesu andererseits. „Wenn Danilova singt, glaubt man nahezu immer, dass es um Leben oder Tod geht“, urteilte deswegen auch das renommierte Musikmagazin Pitchfork folgerichtig, erschafft sie doch Musik, die in ihrer Wirkung überlebensgroß und intensiv ist, Songs, die so überwältigend und kraftvoll sind, dass einem gar die Adern schmerzen. Nun kommt Zola Jesus mit der in einem ehemaligen Kloster im türkischen Bezirhane aufgenommenen Live-EP „Alive in Cappadocia“ im Gepäck am 16. September ins Wiener Porgy & Bess und schickt sich ebendort an, mit ihrer Musik die „spirituelle Leere, die um und in uns ist, zu füllen“. Wie auch schon im Kloster lässt Danilova diesmal die episch rauschenden Synthesizer und wabernden Bässe zuhause und setzt allein auf ihre eindrucksvolle Stimme, begleitet mit einem verletzlich-beklemmenden, zarten, weltentrückten und bittersüßen Piano. So gelingt ihr in müheloser Leichtigkeit, Raum und Zeit zu transzendieren und für eine ätherische Entrückung zu sorgen. Gänsehaut ist garantiert. (Pressetext)

US-Musikerin Zola Jesus: Fliege an der Wand
Mit Gothic-Pop und fein dosiertem Nihilismus wurde die US-Musikerin Zola Jesus zur Schmerzensfrau ihrer Generation. Jetzt geht es ihr um Hoffnung in einer kaputten Welt.

Kein Zoom-Gespräch wie jedes andere. Nika Roza Danilova, besser bekannt unter ihrem literarisch-biblisch inspirierten Bühnennamen Zola Jesus, ist eine international gefeierte Singer-Songwriterin, Produzentin und Opernsängerin. Sie bittet darum, die Computer-Kamera lieber ausgeschaltet zu lassen. Auf dem schwarzen Bildschirm steht lediglich "Nicole", ihr eigentlicher Geburtsname. Es ist Mitte November in diesem Jahr der großen Krisen, und Zola Jesus, die über eine angenehm-ruhige Stimme verfügt, sitzt in ihrer Wohn-und Studio-Enklave in der Nähe des verschlafenen Städtchens Merrill im US-Bundesstaat Wisconsin; sie blickt, sagt sie, auf eine verschneite Landschaft. Es sehe hier, in den Wäldern Nordamerikas, schon sehr nach Winter aus - richtig cozy -, und das heißt für sie: wenig Antrieb, das Haus zu verlassen. Ohnehin sei hier nicht viel los. Das Haus teilt sie sich mit ihrem Hund und einer Katze, der nächste Supermarkt ist mindestens 15 Autominuten entfernt, das nächste Restaurant 30-und wenn sie ein Konzert besuchen möchte, muss sie zwei bis vier Stunden in eine der größeren Metropolen, nach Madison, Minneapolis oder Chicago, fahren.

Je weiter sich Zola Jesus von der Zivilisation entfernt hat (sie hat davor in Los Angeles und Seattle gelebt), desto mehr fühlt sie sich der Welt verbunden-insbesondere der Ukraine. "Dieser Krieg hat mir das Herz gebrochen", sagt sie; die Familie ihres Vaters stammt ursprünglich aus der Ukraine. Es macht sie wütend, dass es 2022 noch zu solch imperialistischen Barbareien kommen könne.

Aber nicht nur die Ukraine beschäftigt Danilova, die ihre Musik seit 2009 unter dem Namen Zola Jesus veröffentlicht; seit der Pandemie seien die Welt und ihr eigener Gefühlshaushalt aus dem Gleichgewicht geraten. Die Querelen rund um Donald Trump, der gewaltvolle Tod des Afroamerikaners George Floyds durch Polizeigewalt und die darauf folgenden Black-Lives-Matter-Demos, die grassierende Korruption und milliardenschwere Tech-Giganten, die ganze Regierungen kontrollieren: All das setzt ihr zu. "Wir Menschen haben uns korrumpieren lassen und uns zu weit von einer harmonischen Welt entfernt."

Ihr persönliches Krisenalbum hat die 33-Jährige bereits vor ein paar Monaten veröffentlicht. Mystischer Titel: "Arkhon", was im Altgriechischen so viel wie "Herrscher" oder "Macht" bedeutet. Für die zehn Gothic-Pop-Miniaturen hat sie sich erstmals Hilfe ins Studio geholt, insbesondere den Produzenten Randall Dunn, den man von seiner Arbeit für die Noise-und-Drone-Spezialisten Sunn O))) kennt. Zwischen Pandemie und Selbstfindung fand Zola Jesus keinen Zugang zu eigenen Ideen; persönlich machte sie eine Scheidung durch, trennte sich von ihrer langjährigen Managerin, und auch andere Menschen verschwanden über Nacht: "Plötzlich stand ich dieser Welt allein gegenüber."

Was blieb, war die Musik-und die Suche nach einem safe space. Das Loslassen-Können, einen Producer an ihrem kreativen Prozess teilhaben zu lassen, wurde zu einer wichtigen Erfahrung. Während ihr gefeiertes Album "Okovi" (2017) noch um die Probleme anderer Menschen kreiste (etwa die Suizidversuche einer guten Freundin),wendete sie diesmal den Blick auf ihr eigenes Leid-und die Erkenntnis, dass man nicht nur Opfer ist: "Ich suche die Verletzlichkeit. Das tut weh, ist aber auch besonders kathartisch."

In diesem Herbst, erzählt sie, wollte sie auf große Konzertreise gehen, aber die schwierige Live-Situation (finanzielle Unsicherheiten, schwierige Logistik, explodierende Energiekosten) machte es unmöglich, mit Band zu reisen. Die Zeit überbrückt sie mit der Live-EP "Alive in Cappadocia", auf der sie ihre unverkennbare Stimme ins Zentrum rückt. Aufgenommen hat sie die Songs in einem ehemaligen Kloster im türkischen Kappadokien. Mit reduziertem Klavier-Setting wird sie, begleitet von einem Streichquartett, Anfang Dezember für zwei exklusive Shows nach Europa reisen; am kommenden Samstag wird sie im Wiener Volkstheater auftreten, zwei Tage später in Berlin.

Fühlt sich die introvertierte Künstlerin vor Publikum eigentlich wohl? Nicht performen zu können, sei für sie ein großes Problem gewesen, erzählt sie. Immerhin verdiene sie mit den Shows nicht nur ihren Lebensunterhalt, auf der Bühne fühle sie sich auch aufgehoben, eins mit ihren Emotionen. Zola Jesus, die in ihrer Musik nach Isolation sucht, braucht für ihre Kunst diese beiden Pole, erzählt sie: Sie möchte auf Tour sein, von Stadt zu Stadt reisen und sich überall zu Hause fühlen ("wie eine Fliege an der Wand"), brauche aber auch die Einsamkeit in den Wäldern ihrer Heimat.
Zola Jesus

Die Oper war ihre erste große Liebe. Sie fand es bereits als kleines Kind extrem toll, erzählt sie, wie Opernsängerinnen mit der Kraft ihrer Stimme "ganze Häuser wegblasen können".Ihre Eltern vermittelten Gesangsstunden und Klavierunterricht, bis ihr das Opernsingen zu technisch wurde, sie als Jugendliche experimentelle Musik entdeckte und Riot-Grrrl-Bands wie Bikini Kill toll fand.

Die Opernsehnsucht habe sie indes nie losgelassen. Bis zu sechs Stunden übe sie immer noch jeden Tag, wie eine Marathonläuferin, diesen süchtig-machenden körperlichen Kraftakt brauche sie zum Leben. Erst kürzlich musste sie die Übungseinheiten auf eine Stunde reduzieren, um ihre Stimme nicht zu überlasten. Sie sei eben ein besonders emotionaler und melancholischer Mensch, sagt sie noch-und Musik sei ihr Weg, aus Schmerz etwas Kreatives, auch Nützliches zu machen. In ihren Songs versucht sie, diesen feinen Grat zu beschreiten: eingängige Popmusik zu kreieren und dabei möglichst weird, also seltsam zu klingen.

Hat sie, die Schmerzensfrau, die Nietzsche und Schopenhauer liebt und sich in ihrer Kunst gerne hinter Nihilismus und Zynismus versteckt, noch Hoffnung für diese kaputte Welt? Es wäre einfacher, meint sie, sich machtlos zu fühlen und abzukapseln. Sie versuche weiter an eine Welt zu glauben, in der es nicht nur darum geht, reich und berühmt zu werden oder als Musikerin einen viralen Hit auf TikTok zu generieren. Wer Kunst mache, trage die Verantwortung, Wege aus der Krise aufzuzeigen, eine Art Anker zu sein in einer Welt, die aus den Fugen scheint. Eine Art Katharsis zu bieten, das sei das Einzige, was sie aktuell machen könne: "Musik kann die spirituelle Leere, die um und in uns ist, füllen."

"Desertshore" heißt nicht nur ein viel zu wenig bekanntes Album, das die Velvet-Underground-Legende Nico 1970 veröffentlicht hat, sondern auch die erste Ausgabe eines zweitägigen Musikund Performance-Festivals am Wiener Volkstheater. Neben Zola Jesus, die am ersten Festivaltag die Bühne mit Streichquartett bespielen wird, gibt es an beiden Tagen Konzerte von jungen Künstlerinnen (die Trip-Hop-Poetin Anika) und alten Helden (Swans-Chef Michael Gira und Neubauten-Ikone Blixa Bargeld), dazu Diskussionen, DJ-Sets und die ewige Frage, warum vermeintliche Popkultur-Klassiker oft nur im Verborgenen schimmern. (Philip Dulle, Profil, 2022)

Irgendwo im US-amerikanischen Bundesstaat Wisconsin liegt eine kleine Stadt namens Merrill. Schenkt man Nika Roza Danilova, der amerikanischen Sängerin mit russischer Seele, die hinter Zola Jesus steht, Glauben, muss es dort verdammt kalt sein: eine Kälte die sich in ihr Gemüt und ihre Musik, Goth-Pop mit experimentellen Sound und hochkulturellem Anspruch, gefressen hat.

Seit ihrem zehnten Lebensjahr übt sie auf eigene Faust passioniert Operngesang, der ihrer Stimme Tiefe und Ausdruck verleiht. Daneben studiert sie Französisch und Philosophie und interessiert sich als Querkopf vor allem für Avantgarde: Sie liest Dostojewski, Schopenhauer und Nietzsche. Joy Division und The Residents avancieren zu Lieblingsbands.

Mit 16 Jahren nimmt Danilova erste eigene Songs auf, viele davon a Capella, weil die Familie nur ein altes Klavier besitzt. Mit 18 Jahren startet sie ihr Projekt Zola Jesus, bei dem sie die Stimme einer Operndiva mit düsteren Soundfetischismus kombiniert.

Von Emotionen getrieben, bastelt Danilova mit episch rauschenden Synthesizern und krachigen E-Drums an minimalistisch-rauen Soundteppichen, die Noise-, Wave-, Industrial- und Gothic-Einflüsse besitzen und sich zugleich in den Harmonien auf melancholischen Pop der 60er Jahre beziehen. Das sehnsüchtige "Clay Bodies" von ihrem dritten Album "The Spoils" wird so zum ultimativen Nachfolger von "Just Like Honey" von The Jesus And Mary Chain.

"Wenn Danilova singt, glaubt man nahezu immer, dass es um Leben oder Tod geht", schreibt Pitchfork angetan über das rabenschwarze Album, das dem Output von Xiu Xiu ziemlich nahe steht. Kein Wunder also, dass Danilova bald mit deren Frontmann, der Indie-Goth-Koryphäe Jamie Stewart, anbandelt, um unter dem Namen Former Ghosts ein Album mit extrovertiertem Wave-Pop einzuspielen.

In der amerikanischen Indie-Szene gilt Danilova, die mittlerweile in Los Angeles lebt, bereits nach zwei Jahren als weit mehr als nur ein aufsteigendes Talent. Obwohl eigentlich ganz den Idealen von Low Fidelity verpflichtet, nimmt sie 2010 erstmals Songs professionell im Studio auf.

Aus den Songs der EP "Stridulum" erwächst später das vollwertige Album "Stridulum II", das Zola Jesus im Zuge einer Tour mit Fever Ray auch in Europa veröffentlicht. Das passt, schließlich hat auch Karin Dreijer Andersson mit ihrer Hauptband The Knife zuletzt eine Oper vertont. (www.laut.de)

16. September 2024 20:30 Uhr

Porgy & Bess

Täglich Jazzkonzerte ab 20 Uhr, am Wochenende anschließend Clubnächte.

Riemergasse 11, 1010 Wien