Felix Kramer (Ö), Fraeulein Astrid (Ö)
Mit seinem dritten Album »Oh wie schön das Leben is« hat der Wiener Songschreiber Felix Kramer sich endgültig freigeschwommen.
In Liedern über Neid, Erfolgsdruck, und die meditative Abkehr von vermeintlichen kapitalistischen Zwängen findet Kramer seine Erfüllung. Auf dem Weg dahin unter anderem wichtig: eine schwierige, zutiefst persönliche Entscheidung – und ein WG-Zimmer.
»Oh wie schön das Leben is«, hat der Wiener Songschreiber Felix Kramer also sein drittes Album genannt. Man wittert kurz Zynismus oder wenigstens Süffisanz, aber er meint es genauso: Das breite Grinsen, das Kramer auf dem Cover des Albums im Gesicht trägt, ist ebenso aufrichtig wie die rosa Zuckerwatte, die er vor dem Prater stehend in der Hand hält. Dieses Album ist eine Liebeserklärung an das Leben in dem festen Wissen um seine dunklen Seiten und Abgründe. Metaphorisch gesprochen hat Kramer hier nach einer zehrenden Wanderung durchs tiefe Tal einen Gipfel erklommen, musikalisch gilt das ebenfalls.
Beginnen wir da, wo auch »Oh wie schön das Leben is« begann. Dreht man das Cover des Albums nämlich um (oder klickt sich halt durch die Galerie), erhält man Einblick in ein recht chaotisches Zimmer, in dem eine Gitarre und ein Laptop stehen, ein paar Mikrofonständer sowie eine mittels einer unter die Decke gehängten Bettdecke gebastelte Aufnahmekabine. Es ist das ehemalige WG-Zimmer von Felix Kramer, hier hat er »Oh wie schön das Leben is« gemeinsam mit dem Multiinstrumentalisten und Produzenten Max Wintersperger aufgenommen.
Man könnte auch sagen: Dieses Zimmer ist der Ort, in dem der 28-Jährige endgültig seine künstlerische Identität gefunden hat. Nachdem die Inspiration auf den bisherigen Kramer-Alben »Wahrnehmungssache« (2018) und »Alles gut« (2020) noch hörbar von den Klassikern kam, haben Leonard Cohen, Joni Mitchell und Jacques Brel als offensichtlicher Einfluss fürs erste ausgedient.
Man spürt auf »Oh wie schön das Leben is« zwar durchaus, dass der studierte Gitarrist Kramer die klassische Songwriterschule durchlaufen hat, dass er außerdem Komposition studiert hat und also ziemlich genau weiß, was er macht, aber er übersetzt die solchermaßen gewonnen Erkenntnisse überaus originell und individuell. Allzu offensichtliche Refrains hat Kramer hinter sich gelassen, er verbindet Folk-Gitarren mit Drum-Machines und Einflüssen von Musikern wie Mac Miller, mischt Sprechgesang mit gesungenen Passagen.
»Ich wollte einmal reinen Tisch machen und alles rausholen, was nicht in dieses klassische Bild passt«, sagt er. »Dadurch sind viele Facetten meiner Persönlichkeit aufgetaucht, die ich vorher nicht richtig ausleben konnte.« Dazu gehört auch, dass Felix Kramer 2022 den Mut aufgebracht hat, sich als bisexuell zu outen, immer noch keine Selbstverständlichkeit für einige.
»Seitdem fühle ich mich so viel besser und befreiter«, sagt er. »Es kommt mir aus heutiger Sicht fast komisch vor, dass ich mich so lange nicht getraut habe. Ich hab auch lange geglaubt, dass ich so ein Bild erfüllen muss von so einem klassischen Folk-Songwriter. Da hab ich ein paar Aspekte meiner Persönlichkeit halt zurückgehalten aus Angst, dass das nicht verstanden wird«.
Felix Kramer hat sich mit »Oh wie schön das Leben is« freigespielt – und das hört man. Er kommt nicht mehr so stark über das lyrische Ich in seine Themen, nimmt keine Rollen ein, ist keine fiktive Figur, sondern er steht da jetzt halt mit der Zuckerwatte vorm Prater, trägt bunte Schuhe und singt über die Dinge, die ihn wirklich beschäftigen und interessieren. »Ich habe seitdem auch noch mehr Spaß mit der Musik«, sagt er.
Es geht auf »Oh wie schön das Leben is« immer wieder darum, das Schöne in der Düsternis aufzuspüren, egal, wie versteckt es ist. Kramer negiert dabei keine dunklen Seiten oder Spannungen, sondern zieht sie direkt ins Herz seiner Songs, allerdings ohne diese zusätzlich zu beschweren. Kramers Wiener Schmäh lässt diesen Liedern eine Leichtigkeit angedeihen, die ihnen überaus gut steht, weil er einen natürlichen Umgang mit ihm pflegt. Der Wiener Akzent ist unüberhörbar da, wird aber nicht überstilisiert oder gezielt in Richtung Austropop-Klischee gedreht.
Das Album beginnt mit »Deine Gründe«, einer wunderbaren, süffisanten Betrachtung linearer Lebensentwürfe und der Kapitalismus-Konformität in den Biografien vieler vermeintlich rebellischer Hipster, die etwas mit Medien machen: »Du hast für alles deine Gründe/Und es is nicht so leicht/Und ma kann nicht alles haben/Und du findest, dass es reicht«, singt er. Kramer findet das traurig, und das hört man, aber er singt es auch mit aufrichtiger Empathie. Seine besondere Gabe liegt darin, sich nicht mit billigem Spott zu begnügen, sondern Mitgefühl für die innere Zerrissenheit zu artikulieren, die die Zwänge des Lebens uns bisweilen abnötigen. Wenn er also über das Kontrollbedürfnis des Menschen in einer nicht kontrollierbaren Welt sinniert, meint er immer auch sich selbst.
Kramer ist ein präziser Beobachter, der sich selbst nicht herausnimmt aus der Rechnung, der Lebenslügen erkennt und entlarvt, auch die eigenen. »Ich bleib sitzen« beschreibt stimmungsvoll Wiener Alltagsbeobachtungen, »Alles gesagt« ist ein wehmütiges Trennungslied, »Donau« eine lebensphilosophische Erwägung, in deren Text er, wie überall, den Dialekt gleich mitschreibt: »Was ma am besten kann, ist nicht immer das, was ma liebt/Am Ende muss ma das machen, wo dir wer Geld dafür gibt.«
»Ich glaube, alle wollen tief in sich drin einfach nur wichtig sein«, sagt er. »Wenn man das einmal losgeworden ist, geht es einem gleich viel besser.« Er ist es natürlich selbst noch nicht ganz losgeworden, davon handelt »Oh wie schön das Leben is«. »Es geht auf dem Album auch immer mal wieder um den Zwang, Geld verdienen zu müssen, nicht nur in diesem Lied«, sagt Kramer. »Das ist mir auch selbst wirklich wichtiger geworden. Das hat sicher was mit der Unsicherheit während der Pandemie zu tun.«
Damals war sein zweites Album »Alles gut« erschienen – und, wie viele andere, von der Pandemie ausgebremst worden. Kramer saß daheim in Wien, konnte nicht auf Tour gehen und kein Geld verdienen, hatte Zukunftsängste. In dieser Zeit entstanden Songs wie das wunderschön-wehmütige »Sie«. »Ich wollte unbedingt etwas über diese Karotte des kapitalistischen Systems sagen, der wir alle hinterherjagen«, sagt er. »Wenn du dich nur genug anstrengst, bist du irgendwann berühmt, glücklich oder reich und dann ist alles gut. Dieses hohle Versprechen, dem wir alle hinterherrennen, hält das System in Schwung.«
Während man diesen Liedern lauscht, könnte man fast überhören, von was für einer Virtuosität und musikalischen Finesse sie sind, so geschmeidig gleiten sie dahin. Diese Musik ist von einem auf erlesene Weise unaufdringlichen Virtuosentum, wie man es selten hört. Das Timing der Trompete, der auf unauffällige Weise brillante Bass, und dann die Gitarren. Es gibt fünf bis sechs Soli auf dem Album, die man nicht wirklich hört, weil sie ihre Fingerfertigkeit nicht in den Vordergrund stellen. Kein Tand, kein überflüssiger Glitter, nur die Songs stehen im Mittelpunkt.
Bis es so weit war, hat Felix Kramer diese Lieder immer weiter reduziert, auf das Nötigste »eingekocht«, wie er es nennt. Teilweise über Jahre. Erst als die Songs wirklich so weit waren, wie er sie haben wollte, hat Kramer sie sich mit Max Wintersperger noch mal vorgenommen. Neben dem Produzenten kamen nun auch die anderen Musiker seiner Band in Kramers WG-Zimmer, nur ein bisschen Schlagzeug und ein paar Streicher haben sie im Studio aufgenommen. Kramer nennt »Oh wie schön das Leben is« seine »MacGyver-Platte«.
»Ich bin ziemlich langsam«, sagt Kramer. »Ich koche Zeilen immer weiter ein, frage mich immer wieder: Was will ich wirklich sagen? Irgendwann habe ich so ein Destillat, manchmal nur einen einzigen Satz, den ich wirklich gut finde, und von diesem Satz versuche ich dann, auf eine Geschichte zu kommen.« So war das auch bei »Deine Gründe«. Im Wesentlichen beschreibt der Song eine Begegnung, die er so erlebt und direkt aufgeschrieben hat. »Aber natürlich konnte ich das nicht so nehmen, wie es die Realität geliefert hat, das musste erst mal auf den Kern reduziert und umgewandelt werden, bis es wirklich meine Gefühle ausgedrückt hat.«
Ob er in »Er sagt, dass er sich bemüht« – einem heiter dialogischen Geschlechterkrieg-Stomper mit juvenilen Bläsern – über das krampfhaft betonschädelige Festhalten sogenannter alter weißer Männer an ihrer privilegierten Welt von gestern spottet, mit »Wahrnehmungssache 4« das Titellied seines Debütalbums fortsetzt oder in »Ganz langsam« vom Individuellen ins Universelle kommt: Immer setzt sich Felix Kramer in diesen Liedern mit starker emotionaler, persönlicher Färbung in ein Verhältnis zur Welt.
Es geht um Neid, Erfolgsdruck, die meditative Abkehr von vermeintlichen kapitalistischen Zwängen. »Mir ham schon viele gscheite Leute schon viele gscheite Dinge geraten/Und vieles kamma aktiv machen, aber hauptsächlich muss ma warten«, singt er in »Ganz langsam«, schließlich: »ganz langsam wird‘s leichter«.
Auf dem Weg dahin hilft »Oh wie schön das Leben is«, eine Liebeserklärung an das Leben, die Menschen und alles dazwischen. Wenn Felix Kramer spricht, ist sein Lächeln zögerlich und skeptisch. Aber es ist echt. (Pressetext)
In Liedern über Neid, Erfolgsdruck, und die meditative Abkehr von vermeintlichen kapitalistischen Zwängen findet Kramer seine Erfüllung. Auf dem Weg dahin unter anderem wichtig: eine schwierige, zutiefst persönliche Entscheidung – und ein WG-Zimmer.
»Oh wie schön das Leben is«, hat der Wiener Songschreiber Felix Kramer also sein drittes Album genannt. Man wittert kurz Zynismus oder wenigstens Süffisanz, aber er meint es genauso: Das breite Grinsen, das Kramer auf dem Cover des Albums im Gesicht trägt, ist ebenso aufrichtig wie die rosa Zuckerwatte, die er vor dem Prater stehend in der Hand hält. Dieses Album ist eine Liebeserklärung an das Leben in dem festen Wissen um seine dunklen Seiten und Abgründe. Metaphorisch gesprochen hat Kramer hier nach einer zehrenden Wanderung durchs tiefe Tal einen Gipfel erklommen, musikalisch gilt das ebenfalls.
Beginnen wir da, wo auch »Oh wie schön das Leben is« begann. Dreht man das Cover des Albums nämlich um (oder klickt sich halt durch die Galerie), erhält man Einblick in ein recht chaotisches Zimmer, in dem eine Gitarre und ein Laptop stehen, ein paar Mikrofonständer sowie eine mittels einer unter die Decke gehängten Bettdecke gebastelte Aufnahmekabine. Es ist das ehemalige WG-Zimmer von Felix Kramer, hier hat er »Oh wie schön das Leben is« gemeinsam mit dem Multiinstrumentalisten und Produzenten Max Wintersperger aufgenommen.
Man könnte auch sagen: Dieses Zimmer ist der Ort, in dem der 28-Jährige endgültig seine künstlerische Identität gefunden hat. Nachdem die Inspiration auf den bisherigen Kramer-Alben »Wahrnehmungssache« (2018) und »Alles gut« (2020) noch hörbar von den Klassikern kam, haben Leonard Cohen, Joni Mitchell und Jacques Brel als offensichtlicher Einfluss fürs erste ausgedient.
Man spürt auf »Oh wie schön das Leben is« zwar durchaus, dass der studierte Gitarrist Kramer die klassische Songwriterschule durchlaufen hat, dass er außerdem Komposition studiert hat und also ziemlich genau weiß, was er macht, aber er übersetzt die solchermaßen gewonnen Erkenntnisse überaus originell und individuell. Allzu offensichtliche Refrains hat Kramer hinter sich gelassen, er verbindet Folk-Gitarren mit Drum-Machines und Einflüssen von Musikern wie Mac Miller, mischt Sprechgesang mit gesungenen Passagen.
»Ich wollte einmal reinen Tisch machen und alles rausholen, was nicht in dieses klassische Bild passt«, sagt er. »Dadurch sind viele Facetten meiner Persönlichkeit aufgetaucht, die ich vorher nicht richtig ausleben konnte.« Dazu gehört auch, dass Felix Kramer 2022 den Mut aufgebracht hat, sich als bisexuell zu outen, immer noch keine Selbstverständlichkeit für einige.
»Seitdem fühle ich mich so viel besser und befreiter«, sagt er. »Es kommt mir aus heutiger Sicht fast komisch vor, dass ich mich so lange nicht getraut habe. Ich hab auch lange geglaubt, dass ich so ein Bild erfüllen muss von so einem klassischen Folk-Songwriter. Da hab ich ein paar Aspekte meiner Persönlichkeit halt zurückgehalten aus Angst, dass das nicht verstanden wird«.
Felix Kramer hat sich mit »Oh wie schön das Leben is« freigespielt – und das hört man. Er kommt nicht mehr so stark über das lyrische Ich in seine Themen, nimmt keine Rollen ein, ist keine fiktive Figur, sondern er steht da jetzt halt mit der Zuckerwatte vorm Prater, trägt bunte Schuhe und singt über die Dinge, die ihn wirklich beschäftigen und interessieren. »Ich habe seitdem auch noch mehr Spaß mit der Musik«, sagt er.
Es geht auf »Oh wie schön das Leben is« immer wieder darum, das Schöne in der Düsternis aufzuspüren, egal, wie versteckt es ist. Kramer negiert dabei keine dunklen Seiten oder Spannungen, sondern zieht sie direkt ins Herz seiner Songs, allerdings ohne diese zusätzlich zu beschweren. Kramers Wiener Schmäh lässt diesen Liedern eine Leichtigkeit angedeihen, die ihnen überaus gut steht, weil er einen natürlichen Umgang mit ihm pflegt. Der Wiener Akzent ist unüberhörbar da, wird aber nicht überstilisiert oder gezielt in Richtung Austropop-Klischee gedreht.
Das Album beginnt mit »Deine Gründe«, einer wunderbaren, süffisanten Betrachtung linearer Lebensentwürfe und der Kapitalismus-Konformität in den Biografien vieler vermeintlich rebellischer Hipster, die etwas mit Medien machen: »Du hast für alles deine Gründe/Und es is nicht so leicht/Und ma kann nicht alles haben/Und du findest, dass es reicht«, singt er. Kramer findet das traurig, und das hört man, aber er singt es auch mit aufrichtiger Empathie. Seine besondere Gabe liegt darin, sich nicht mit billigem Spott zu begnügen, sondern Mitgefühl für die innere Zerrissenheit zu artikulieren, die die Zwänge des Lebens uns bisweilen abnötigen. Wenn er also über das Kontrollbedürfnis des Menschen in einer nicht kontrollierbaren Welt sinniert, meint er immer auch sich selbst.
Kramer ist ein präziser Beobachter, der sich selbst nicht herausnimmt aus der Rechnung, der Lebenslügen erkennt und entlarvt, auch die eigenen. »Ich bleib sitzen« beschreibt stimmungsvoll Wiener Alltagsbeobachtungen, »Alles gesagt« ist ein wehmütiges Trennungslied, »Donau« eine lebensphilosophische Erwägung, in deren Text er, wie überall, den Dialekt gleich mitschreibt: »Was ma am besten kann, ist nicht immer das, was ma liebt/Am Ende muss ma das machen, wo dir wer Geld dafür gibt.«
»Ich glaube, alle wollen tief in sich drin einfach nur wichtig sein«, sagt er. »Wenn man das einmal losgeworden ist, geht es einem gleich viel besser.« Er ist es natürlich selbst noch nicht ganz losgeworden, davon handelt »Oh wie schön das Leben is«. »Es geht auf dem Album auch immer mal wieder um den Zwang, Geld verdienen zu müssen, nicht nur in diesem Lied«, sagt Kramer. »Das ist mir auch selbst wirklich wichtiger geworden. Das hat sicher was mit der Unsicherheit während der Pandemie zu tun.«
Damals war sein zweites Album »Alles gut« erschienen – und, wie viele andere, von der Pandemie ausgebremst worden. Kramer saß daheim in Wien, konnte nicht auf Tour gehen und kein Geld verdienen, hatte Zukunftsängste. In dieser Zeit entstanden Songs wie das wunderschön-wehmütige »Sie«. »Ich wollte unbedingt etwas über diese Karotte des kapitalistischen Systems sagen, der wir alle hinterherjagen«, sagt er. »Wenn du dich nur genug anstrengst, bist du irgendwann berühmt, glücklich oder reich und dann ist alles gut. Dieses hohle Versprechen, dem wir alle hinterherrennen, hält das System in Schwung.«
Während man diesen Liedern lauscht, könnte man fast überhören, von was für einer Virtuosität und musikalischen Finesse sie sind, so geschmeidig gleiten sie dahin. Diese Musik ist von einem auf erlesene Weise unaufdringlichen Virtuosentum, wie man es selten hört. Das Timing der Trompete, der auf unauffällige Weise brillante Bass, und dann die Gitarren. Es gibt fünf bis sechs Soli auf dem Album, die man nicht wirklich hört, weil sie ihre Fingerfertigkeit nicht in den Vordergrund stellen. Kein Tand, kein überflüssiger Glitter, nur die Songs stehen im Mittelpunkt.
Bis es so weit war, hat Felix Kramer diese Lieder immer weiter reduziert, auf das Nötigste »eingekocht«, wie er es nennt. Teilweise über Jahre. Erst als die Songs wirklich so weit waren, wie er sie haben wollte, hat Kramer sie sich mit Max Wintersperger noch mal vorgenommen. Neben dem Produzenten kamen nun auch die anderen Musiker seiner Band in Kramers WG-Zimmer, nur ein bisschen Schlagzeug und ein paar Streicher haben sie im Studio aufgenommen. Kramer nennt »Oh wie schön das Leben is« seine »MacGyver-Platte«.
»Ich bin ziemlich langsam«, sagt Kramer. »Ich koche Zeilen immer weiter ein, frage mich immer wieder: Was will ich wirklich sagen? Irgendwann habe ich so ein Destillat, manchmal nur einen einzigen Satz, den ich wirklich gut finde, und von diesem Satz versuche ich dann, auf eine Geschichte zu kommen.« So war das auch bei »Deine Gründe«. Im Wesentlichen beschreibt der Song eine Begegnung, die er so erlebt und direkt aufgeschrieben hat. »Aber natürlich konnte ich das nicht so nehmen, wie es die Realität geliefert hat, das musste erst mal auf den Kern reduziert und umgewandelt werden, bis es wirklich meine Gefühle ausgedrückt hat.«
Ob er in »Er sagt, dass er sich bemüht« – einem heiter dialogischen Geschlechterkrieg-Stomper mit juvenilen Bläsern – über das krampfhaft betonschädelige Festhalten sogenannter alter weißer Männer an ihrer privilegierten Welt von gestern spottet, mit »Wahrnehmungssache 4« das Titellied seines Debütalbums fortsetzt oder in »Ganz langsam« vom Individuellen ins Universelle kommt: Immer setzt sich Felix Kramer in diesen Liedern mit starker emotionaler, persönlicher Färbung in ein Verhältnis zur Welt.
Es geht um Neid, Erfolgsdruck, die meditative Abkehr von vermeintlichen kapitalistischen Zwängen. »Mir ham schon viele gscheite Leute schon viele gscheite Dinge geraten/Und vieles kamma aktiv machen, aber hauptsächlich muss ma warten«, singt er in »Ganz langsam«, schließlich: »ganz langsam wird‘s leichter«.
Auf dem Weg dahin hilft »Oh wie schön das Leben is«, eine Liebeserklärung an das Leben, die Menschen und alles dazwischen. Wenn Felix Kramer spricht, ist sein Lächeln zögerlich und skeptisch. Aber es ist echt. (Pressetext)
8. Februar 2024 20:00 Uhr